Bauvorhaben und Naturschutz
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4.5. Handelssaatgut

Sind andere Methoden nicht realisierbar, erfolgt eine herkömmliche Ansaat mit Handelssaatgut. Wichtig sind hochwertige Saatgutmischungen mit standorttypischer Artzusammensetzung, in denen keine Problemarten (zB Kreuzkräuter) enthalten sind. Artenreiche Mischungen führen zu stabileren Beständen und reagieren flexibler auf Umwelteinflüsse.
 
4.5.1. Für die Entwicklung artenreicher Standorte ist nährstoffarmes Substrat (Verzicht auf Hu­mu­sier­ung) Voraussetzung.
 
4.5.2. Eine Ansaat zur Entwicklung einer artenreichen (blumenreichen) Vegetation erfolgt mö­glich­st im Frühjahr: Dies verschafft Kräutern einen Entwicklungsvorsprung; Herbstsaaten begünstigen eher Gräser.
 
4.5.3. Eine Schlafsaat ist insbesondere für Hochlagen geeignet: Das Saatgut wird im Spätherbst möglichst knapp vor dem ersten Schneefall ausgebracht und keimt erst im Frühjahr; die Schneeschmelze sorgt für eine gute Wasserversorgung.
 
4.5.4. Wenn im Boden zahlreiche Samen unerwünschter Arten enthalten sind, können auf­lauf­ende Keimlinge vor der Ansaat durch Eggen bei trockener Witterung beseitigt werden. Bei Bedarf den Vorgang nach drei Wochen wiederholen.
 
4.5.5. Wiesenarten sind meist Lichtkeimer:
a) Samen nicht zu tief in den Boden einarbeiten.
b) Eine leichte Bedeckung mit Erde fördert jedoch einen guten Bodenkontakt und damit eine bessere Wasserversorgung.
c) Anwalzen mit einer Cambridge-Walze mit abwechselnd glatten und gezackten Ringen ist ein Kompromiss, da ein Teil des Saatguts an der Oberfläche verbleibt, während ein an­der­er mit Erde bedeckt wird.
d) Strukturwalzen, Raupenketten oder Grobbodenbearbeitung schafft günstige Ober­fläch­en­profile für die Ansaat.
 
4.5.6. Ergänzende Initialpflanzungen sind vor allem bei schwer keimenden Arten zweckmäßig: Je nach Größe und Wuchsfreude der Pflanze sind Dichten von 1 bis zu 25 Pflanzen / m² üblich.
 
4.5.7. Bei extremen Standortbedingungen und / oder großer Erosionsgefahr bieten sich folgende Saatverfahren an:
a) Nass- oder Hydrosaat (Anspritzbegrünung): Samen, Dünger, Mulchstoffe, Bodenhilfsstoffe und Erosionsschutzfasern werden mit einem Klebemittel vermischt und mit einem Spritzfass verteilt.
b) Mulchsaat: Die Ansaat wird mit organischem Material (meist Heu oder Stroh) abgedeckt. Die Mulchschicht muss lichtdurchlässig sein und sollte etwa 3 bis 4 cm stark sein.
c) Bitumen-Strohdecksaat: Oft in Steillagen und über der Waldgrenze angewandt; Samen und Dünger werden in die Strohschicht eingebracht; darüber wird eine instabile Bi­tum­en­emulsion gespritzt (nicht in Trinkwasserschutzgebieten!).
d) Deckfruchtsaat: Ammenpflanzen (meist Winterroggen, Hafer oder Gerste) werden in den Boden eingearbeitet; anschließend wird das eigentliche Saatgut ausgebracht. Die rasch auflaufenden Dunkelkeimer decken den offenen Boden ab. Zwischen der Deckfrucht ent­wickelt sich dann die eigentliche Begrünung. Besonders geeignet für steile, son­nen­expo­nierte Standorte. In tiefen Lagen muss die Deckfrucht bei einer Wuchshöhe von maximal 30 cm gemäht und abgeräumt werden, damit die Zielvegetation nicht verdrängt wird.


Vor-/Nachteile

+  verfügbar
 
+  vielfältig anwendbar (Nassaaten, Mulchsaat, Bitumen-Strohdecksaat, Deckfruchtsaat, Schlaf­saat)

–  regionale Herkunft? Handelssaatgut enthält oft Ökotypen oder Zuchtformen unter­schied­lich­sten Ursprungs
 
–  in vielen Mischungen sind in der Region eigentlich nicht heimische Arten enthalten, in manchen auch Problemarten (zB Kreuzkräuter)
 
–  auch artenreiche Mischungen decken nicht das vollständige Artenspektrum einer Wiese ab
 
–  auf exponierten Standorten begleitende Erosionsschutzmaßnahmen notwendig


Fotos
 
Für die Entwicklung einer artenreichen Vegetation sind nährstoffarme Standorte und der Verzicht auf Humusierung wichtig. Obwohl die Vegetationsentwicklung auf diesen extremen Standorten langsam erfolgt, lassen sich mittelfritig artenreichere Pflanzengemeinschaften entwickeln, die zudem geringeren Pflegeaufwand erfordern. Bei mageren Standortverhältnissen entwickelt sich die Vegetation langsamer als bei nährstoffreichen, es erstehen aber wesentlich vielfältigere und stabilere Pflanzenbestände. Trotz sorgfältiger Begrünung entwickeln sich hier Problemarten wie Goldrute, Ampfer und Brennnessel, da zu nährstoffreiches  Bodensubstrat zur Rekultivierung verwendet wurde. Auch mehrere Jahre nach der Begrünung hat sich auf dieser Dammböschung noch keine geschlossene Grasnarbe eingestellt, weil nährstoffreiches Substrat zur Rekultivierung verwendet wurde.
Keinesfalls sollten Neophyten wie Lupinen angesät werden. Auf steilen Flächen sollte eine Ansaat mit Erosionsschutzmaßnahmen – zB durch Jutenetze – kombiniert werden. Das Saatgut wurde abgeschwemmt und keimt nur in Ritzen, die ausreichend Feuchtigkeit bieten. Eine raue Oberfläche – wichtig vor allem auf Böschungen – ist Voraussetzung für eine gleichmäßige Keimung der Samen. Mit einer Spritzsaat lassen sich auch extreme Standorte begrünen.
Initialpflanzungen können die natürliche Vegetationsentwicklung beschleunigen.


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